Von San Quirico d’Orcia aus kann man fast in alle Richtungen fahren und die einzigartigen Landschaften des Val d’Orcia und der Crete Senesi – das südliche Hinterland von Siena – bestaunen. Das Wort Cretebedeutet im Italienischen Ton oder Lehm oder Kreide.
Pienza ist das vielgelobte Konzept des Architekten Bernardo Rosselino, das er ganz im Geiste seines Florentiner Lehrers Leon Battisto Alberti, der die Fassaden von Santa Maria Novella und des Palazzo Rucellai in Florenz entwarf,umsetzte. Ennio Piccolomini, später Papst Pius II, der große Papst der Renaissance, hatte die Idee, aus seinem Heimatdorf Corsignano die ideale Stadt zu bauen. Deshalb taufte er das Dorf kurzerhand um in Pienza. Er regte an, dass sich einflussreiche Kardinäle an dem Projekt beteiligen und sich hier ihre Paläste bauen sollten, was auch geschah. So entstand im 15. Jahrhundert Pienza, eine der interessantesten und schönsten Städte der Toskana.
Kern des Konzepts ist der Dom Santa Maria Assunta mit der Piazza PioII, um diese herum die Bauten in einer nie da gewesenen genialen Ordnung erstellt wurden. Von der Loggia des Familienpalastes Piccolomini, der an den erwähnten Palazzo Ruccelai erinnert, blickt man auf das Orcia-Tal mit dem 1700m hohen, kegelförmigen, erloschenen Vulkan des Monta Amiata, eine Aussicht, die Pius II. seit seiner Kindheit liebte. Als er bei der Vorbereitung zu einem Kreuzzug gegen die Türken 1464 stirbt, werden alle Arbeiten eingestellt. So bleibt seine ideale Stadt zwar ein Fragment, aber welch ein großer Plan und die Absicht, den Mensch mit der Natur zu versöhnen.Read More
Um von Pienza nach Montalcino zu kommen, fährt man wieder zurück nach San Quirico d’Orcia. Schon von dort sieht man hoch oben auf einem Hügelgrad des Monte Amiata, beinahe 600m über dem Meeresspiegel, diese weltberühmte Weinstadt.. Der vermutlich von Etruskern gegründete Ort liegt an der alten Frankenstraße – Via Francigena – inmitten von großflächigen Weinbergen.
Montalcino
Am höchsten Punkt der Stadt erhebt sich die Fortezza Rocca di Montalcino aus dem 14. Jh. mit ihren 2571 von Cosimo I. errichteten Wehrgängen, von denen man einen atemberaubenden Weitblick auf das Orcia-Tal hat. Boden, Lage und Klima der Gegend begünstigen den Weinanbau. Durch ihn ist der Ort weltberühmt geworden. Das Premiumprodukt ist der Brunello di Montalcino, unbestritten eine der besten und teuersten Spitzenweine Italiens und hochbegehrt von Kunden aus aller Welt.
Brunello | der Spitzenwein aus der Toskana
Aus einer brillanten Eingebung heraus hatte Ferruccio Bondi Santi im Jahr 1888 den berühmten Brunello nach Muster des damaligen Barolo geschaffen: einen Qualitätswein aus nur einer Traube – der speziellen Sangiovese-Traube, der Sangiovese Grosso – herzustellen. Der Brunello ist etwas kräftiger als der Chianti Classico, muss mindestens zwei Jahre im Holzfass lagern und darf erst nach vier Jahren verkauft werden. Der magische Ort dieser Pionierleistung in Montalcino war die Tenuta Il Greppo. Eines der Besten unter den Besten heute dort ist das Weingut Poggio Antico(mit hervorragendem Restaurant) von Paola und Alberto, westlich außerhalb von Montalcino.
Von Montalcino macht man einen kleinen Abstecher nach Westen in den Ortsteil Castelnuovo dell’Abbate. Hier findet man, harmonisch eingebettet in einer Talsenke zwischen Olivenhainen, Zypressen und Steineichen die wunderbare Abbazia di Sant’Antimo, die seit jeher Maler und Dichter inspiriert und Besucher verzaubert hat. Der mächtige Travertinbvau wurde im Jahre 1118 auf den Grundmauern einer Kapelle errichtet, die ein Jahr zuvor bei einem gewaltigen Erdbeben zerstört worden war. Die Abtei gilt als eines der am besten erhaltenen Beispiele romanischer Baukunst in Italien. Im Inneren verbinden sich zahlreiche italienische und französische Bautraditionen und sie ist deshalb in ihrer Struktur näher an den Burgen und Schlössern im Burgund als an denen der Toskana. Durch das warme Gelb des Alabasters ist das Innere der Kirche in ein geheimnisvolles Licht getaucht, das sich je nach Tageszeit verändert.
Nach einer sehr kurvenreichen aber landschaftlich reizvollen Route – über Buonconvento und etwas abseits der Route Siena-Massa Marittima – steht einsam eine Ruine auf einer grünen Wiese: die Abbazia San Galgano aus dem 12. Jh. Sie wurde als erste (und einzige) Neugründung der Ziesterzienser erbaut und stellt insofern eine Rarität dar, da hier zum ersten Mal in der Toskana gotische Stilelemente eingeführt wurden.
San Galgano – Mittelschiff
Ihre Geschichte ist sehr wechselvoll. Der Aufstieg begann im 12. und 13. Jh., als die geschäftstüchtigen Mönche zu großem Landbesitz gelangten, weil sie z.B. mit Notariats- und Verwaltungsarbeiten betraut wurden, beim Bau des Sieneser Domes mitwirkten, Mühlen und Walkerein bauten, Sümpfe trocken legten und neue landschaftliche Nutzflächen erschlossen und damit Wohlstand schafften. Der Abstieg setzte dann bereits im 14. Jh. ein, als durch Hungersnöte und Pestepidemien viele Mönche starben und marodierende Söldnerheere aus Florenz die südliche Toskana unsicher machten. Jahrhundertelang wurde dann mit dem Kloster Schindluder betrieben. 1783 stürzten der Glockenturm und die meisten Gewölbe ein und nach und nach bauten die Bauern der Umgebung mit den Steinen der Ruine ihre Häuser. Erst 1961 bekam ein Ziesterziensermönch aus Rom die Erlaubnis, die Ruine wieder zum Leben zu erwecken, was auch geschah. Am phänomenalsten erlebt man San Galgano am späten Abend, wenn sie eindrucksvoll illuminiert ist und man den Himmel als Dach des Klosters erlebt. Einfach unvergesslich ist diese dachlose Atmosphäre, wenn man eine der vielen Musikveranstaltungen besucht, die hier im Innenraum der Kirche im Sommer stattfinden.
Bagni di Petriolo
Es lohnt sich, einen weiteren Ort in der Nähe, unweit der Schnellstraße Siena-Grosseto, zu besuchen:‚Bagni di Petriolo. Die heißen Thermen dort stammen ebenfalls aus etruskischer Zeit und später gehörte auch der berühmte Renaissance-Papst Pius II. (siehe Pienza) zu seinen Besuchern.
Pinien-Zypressen-Allee zum Hotel Landana von Alain Ducasse, dem berühmten Sternekoch
Bei Roccastrada verlässt man die Schnellstraße Siena-Grosseto in Richtung Westen und nach den ausgedehnten Waldgebieten südlich von Siena eröffnet sich wiederum eine völlig neue und einzigartige Landschaft: die Maremma. Das Wort Maremma ist eine Nebenform von Marittima, was so viel heißt wie dem Meer zugehörend. Das flache Land war in früherer Zeit in der Tat ein Teil des Meeres, ein Lagunensee, der schon in vorgeschichtlicher Zeit versumpfte.
Allerdings trifft das geflügelte Wort Maremma amara (Bittere Maremma) aus einem alten Volkslied nicht mehr zu, denn Anfang des 19. Jh. begann der Großherzog Leopold II. das Land durch den Bau von Kanälen für die Landwirtschaft nutzbar zu machen, was mit der Zeit Wohlstand bis ins kleinste Dorf brachte. Jetzt ist es fruchtbares Agrarland und ein Paradies für Naturfreunde und Anhänger des Agriturismo. Der 1975 eingerichtete Nationalpark Maremma – Parco Naturale della Maremma – erstreckt sich von Talmone nach Norden bis zur Mündung des Ombrone. Die immer noch dünn besiedelte Landschaft prägen lange Sandstrände und landeinwärts dichte Pinienwälder, gefolgt von immergrüner Vegetation: wuchernde Machia, lange Pinien- und Zypressenalleen und Korkeichen im Hinterland.
Moscatello
Zwei Empfehlungen für entspannte Ferien: die Residenza le Versegge in Braccagni oder – etwas luxuriöser- das Landgut Moscatello nahe Gavorrano.
Auf dem weiteren Weg nach Süden zur Isola del Giglio sollte man die Gelegenheit nutzen und sich einen Eindruck vom Parco Naturale della Maremma – der wilden Seite der Toskana – mit zu nehmen. Es ist eine Landschaft in einem weitestgehend naturbelassenen Ökosystem und eine Mischung aus Serengeti und Wilder Westen. Zauberhafte Wanderwege bieten eine Fülle von unvergesslichen Eindrücken. Bester Ausgangspunkt ist Alberese, ein Ort am Randes des Naturparks.
Giglio Porto und Giglio Castello
Danach geht es weiter in Richtung Süden zum Porto Santo Stefano, um mit der Fähre zur Isola del Giulio – nach Giglio Porto mit seinen bunten Häusern – überzusetzen. Giglio ist – neben Elba – die zweitgrößte Insel der Toskana und liegt ganz im Süden an der Grenze zum Latium. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie ein großer Felsen im Meer, doch wachsen hier über 700 verschiedene Pflanzenarten. Von März bis Juni entfaltet die Flora der Insel ihre ganze Farbenpracht und betört die Besucher mit ihren wunderbaren Düften. Nirgends kann man dies besser erleben als auf einer – allerdings nicht unbeschwerlichen – Wanderung zum Giglio Castello in 450m Höhe, das als eine der schönsten Dörfer des Mittelalters in Italien ausgezeichnet wurde.
Blick von Isola del Giglio aufs Tyrennische Meer
Von hier oder auch vom höchsten Punkt der Insel, dem Poggio della Pagna in 486m Höhe, hat man einen atemberaubenden Blick über das Tyrrhenische Meer auf den toskanischen Archipel. Durch ihre strategische Lage hat die Insel zwangsläufig eine abenteuerliche und abwechslungsreiche Geschichte hinter sich. Weltberühmt wurde Giglio durch die Havarie des größten italienischen Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia vor Giglio Porto im Jahre 2012.
Die Etrusker, die Ureinwohner Italiens, lebten in einem Gebiet, das Teile der heutigen Toskana, Umbriens und das Nordlatium umfasste. Es nannte sich Aera del Tufo, das Tuffsteingebiet. Vom Tyrrhenischen Meer erreicht man das Gebiet über Montalto di Castro und dann nach Norden über Canino und Valentano beim Lago di Bolsena. Im Zentrum des Tuffsteingebietes, südlich des Monte Amiata gelegen, einer Gegend vulkanischen Ursprungs, in der sich bewaldete Täler und Hügel mit tiefen Schluchten abwechseln, befinden sich die berühmten, scheinbar wie aus dem Fels heraus gemeißelten Tuffsteinstädte – Città del Tufo – : Pitigliano, Serano, Sovana und Manciano. Sie sind von einzigartigem Reiz mit teilweise spektakulären Aus- und Ansichten. In der Umgebung dieser Städte findet man Unmengen von Etrusker-Gräbern und Grabkammern, tief in den Tuffstein eingeschnittene Hohlwege, die von einigen Zentimetern bis zu 3m Breite haben können und eine Vielzahl von Höhlen, die teilweise heute noch als Lagerräume genutzt werden.
Pitigliano: Hoch über den Tälern der Wasserläufe Lente, Melete und der Prochio überrascht das Dörfchen durch seinen imposanten und einzigartigen Anblick; es klammert sich förmlich an den Felsen, dessen Wände in tiefe Schluchten voller Grotten abfallen. Pitigliano gehörte im 12. Jh. dem Grafen Aldobrandeschi und später der Söldnerfamilie der Orsini, darunter Niccolo III, auch ‚der Pitigliano’ genannt. Obwohl sehr kriegerisch unterwegs, ist er dennoch für eine Reihe von Renaissancebauten von bekannten Architekten (Sangallo und Peruzzi) in der Stadt verantwortlich. Der Palazzo Orsini, der auf den Überresten eines Franziskanerklosters errichtet wurde, beherrscht das Bild der antiken Burg.
Sorano: Die Kernstadt erhebt sich pittoresk auf einem Tuffsteinfelsen in 380m Höhe, während sich das gesamte Stadtgebiet mit den Ortschaften Sovona, Castell’Ottiere und Montorio über tiefen Taleinschnitten und hohen Bergen – dem Monte Elmo in 828m – erstreckt. Die Burg der Orsini prägt mit ihrem imposanten Aussehen den gesamten Ort, der mit dem Tuffsteinfelsen zu verschmelzen scheint.
Saturnia: In der Nähe der Tuffsteinstädte an der alten Römerstraße Via Clodia liegt Saturnia, das mit seinen heißen Schwefelfluten seit ewigen Zeiten immer viele Besucher aus aller Welt anzieht.
Von Saturnia fährt man über das ebenfalls sehenswerte historische Städtchen Manciano nach Grosseto und von dort nach Westen ans Meer. Hier befindet sich eines der heute noch sichtbaren Zeugnisse aus langer Vergangenheit: Die Festung Castiglione della Pescaia.
Von Castiglione della Pescaia geht es nun den toskanischen Teil der Tyrrenischen Küste entlang nach Pisa. Dante hat in seiner ‚Göttlichen Komödie’ den Tod von Graf Ugolini, der mit seinen papsttreuen Guelfen Pisa eroberte aber 1288 gestürzt wurde und im Kerker verhungerte, verarbeitet.